Morgens in Deutschland. Wir sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf der Weg zur Arbeit. Egal ob in Bus, Bahn oder Flugzeug: Neben uns sitzen oder stehen andere Menschen, mit denen wir ungewollt unsere Zeit verbringen. Und auch wenn wir irgendwo mal gelesen haben, dass wir Menschen soziale Wesen sind, ziehen wir es doch vor keinen Kontakt aufzunehmen und lieber vor uns hin zu starren oder „extrem wichtige“ Dinge mit unseren Smartphones zu erledigen. Wir glauben, dass unser Start in den Tag wenigstens halbwegs erträglich wird, wenn wir uns abschotten und unsere Zeit nicht mit den nervigen Zeitgenossen um uns herum verplempern. Wir sitzen nur Zentimeter voneinander entfernt und tun trotzdem so, als wäre unser Nebenmann oder unser Gegenüber nicht da. In diesem Punkt sind wir alle Magier: Wir können ein ganzes Dutzend Menschen auf einmal unsichtbar werden lassen. Bloß nicht mit Fremden sprechen!
Für die Forschung zum Unterhalten gezwungen.
Ist diese bewusste Ignoranz wirklich eine kluge Entscheidung? Hatte Mutti schon damals Recht, als sie uns ermahnte: „Sprich nicht mit Fremden!“? Der Sache sind vor kurzem Professor Nicholas Epley und seine Kollegin Juliana Schröder von der „University of Chicago Booth School of Business“ in einer Studie auf den Grund gegangen. Sie wollten herausfinden, ob wir wirklich glücklicher und zufriedener sind, wenn wir unserem spontanen Verlangen folgen, keinen Kontakt mit unseren Mitreisenden aufzunehmen. Die Forscher baten Hunderte von Probanden, die gerade einen Bus, Zug oder ein Taxi bestiegen, auf der Fahrt einen der Mitreisenden bewusst anzusprechen. Die Kontrollgruppe dagegen, sollte absichtlich Distanz wahren oder sich „wie üblich“ verhalten und frei entscheiden, wonach ihnen ist: Reden oder Schweigen. Am Ziel angekommen, wurden die Beteiligten gebeten ihr Wohlbefinden zu beurteilen. Das Ergebnis war für Epley und seine Kollegen eine große Überraschung: Denn vor der Fahrt prognostizierten die Meisten, dass sie sich am wohlsten fühlen werden, wenn sie keinen Plausch mit einem Mitreisenden suchen und einfach ihre Ruhe haben. Tatsächlich empfanden aber jene die Fahrt am angenehmsten, die reden „mussten“. Diese Erkenntnis galt für die unterschiedlichsten Charaktertypen gleichermaßen, egal ob intro- oder extrovertiert. Viele waren im Nachhinein erstaunt, wie viel Spaß sie an Unterhaltungen mit einem Fremden hatten – ganz entgegen ihrer ursprünglichen Überzeugung!
Labern oder Plaudern, das ist entscheidend.
Wenn spontane Plaudereien uns so gut tun, warum entscheiden wir uns so selten dafür? Die Wissenschaftler fanden heraus, dass wir unbewusst den Kontakt mit Fremden vermeiden, da wir glauben, dass der oder die andere kein Interesse an einem Gespräch mit uns hat und sich von uns belästigt fühlen könnte. Wenn du nur jemanden suchst, dem du dein Leid klagen kannst (Job, Beziehung, Wetter, Geld ..) oder vor dem du prahlst, da du dich nach Anerkennung sehnst, dann liegst du mit deiner Vermutung wahrscheinlich richtig: dein Gegenüber wird das Gespräch mit dir so angenehm wie eine Wurzelbehandlung empfinden. Hast du aber echtes Interesse daran, einen anderen Menschen kennenzulernen, dann können sich schöne Konversationen ergeben.
Ich finde es spannend, dass uns auch in der heutigen, hochtechnisierten Zeit ein Gespräch mit einem fremden Menschen immer noch glücklicher machen kann, als dutzende whatsapp-Nachrichten, die wir in der selben Zeit an Freunde verschicken könnten. Also entscheide dich bei deiner nächsten Reise mit Bus, Bahn oder Taxi ganz bewusst einen Fremden anzusprechen. Damit entscheidest du dich auch für die Chance auf interessante Begegnungen. Und wenn dir der passende Einstieg fehlt, dann versuch es doch mal mit „Haben Sie auch von dieser Studie gelesen, in der es heißt, das es glücklich machen soll, mit Fremden ins Gespräch zu kommen?“
Mathias Fischedick
Außerdem halte ich Vorträge, in denen ich auf unterhaltsame Art Wissen vermittele. Meine Themen: »Selbstverantwortung«, »Motivation« und »Authentizität«.
Aus meiner Feder stammen dieBücher »Du bist Magie - Die unglaublichen Fähigkeiten unseres Körpers« und »Wer es leicht nimmt, hat es leichter - Wie wir endlich aufhören, uns selbst im Weg zu stehen«.
Als ehemalige Führungskraft in der Medienbranche komme ich aus der Praxis. Durch meine Ausbildungen zum diplomierten Systemischen Coach und zum diplomierten Mental Coach verfüge ich zudem über das nötige psychologische Wissen, um Einzelpersonen und Teams darin zu unterstützen, ihre Ziele zu erreichen.
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